Produktivität steigern – Stress reduzieren mit der einfachsten Organisationsentwicklung der Welt: Zeit

verbesserungen im Freizeitleben der Mitarbeitenden
Rosafarbene Balken: Abnahme des Gefühls, zuwenig Zeit für familiäre Aufgaben oder Hobbies zu haben – Klick zum Vergößern – Quelle: Autonomy Research Ltd. (2023)

„Senken der Krankheitstage um über 60%. Über 70% Reduktion von Burnout. 40% der Teilnehmenden schläft besser! Kündigungsrate wurde um 50% gesenkt.“ Wenn Sie so etwas als Organisationsentwicklungsmaßnahme oder betriebliche Gesundheitsförderung verkaufen wollen, tippen sich alle an den Kopf, die das Metier kennen. Solche Zahlen schaffen sie mit keiner bekannten Maßnahme über eine ganze Firma oder gar mehrere Branchen hinweg. Halt! Eine unbeugsame Maßnahme gibt es doch, die das schafft. Das zeigen die jetzt veröffentlichten Ergebnisse einer sechsmonatigen Studie in England zur Vier-Tage-Woche mit über 2900 Mitarbeitenden in 61 Firmen von der Bank bis zum Schnellrestaurant, davon führen 56 Firmen die Maßnahmen weiter: Denn die Vier-Tage-Woche wirkt stärker als alle bekannten organisationsweiten Maßnahmen der letzten 50 Jahre bei überall gleichbleibender und in einigen Bereichen sogar steigender Produktivität. Begleitet und ausgewertet wurde das gesamte Projekt durch Wissenschaftler um die Arbeitszeit-Expertin Prof. Juliet Schor und Prof. Wen Fan (beide Boston), die nicht nur zu Beginn Trainings und Workshops gaben, um begleitend Hilfestellungen zu geben. Die Entwicklungen des Projekts 4dayweek global wurden sowohl qualitativ (Prof. Frayne & Prof. Burchell aus Cambridge) als auch quantitativ (Schor & Fan) dokumentiert und empirisch ausgewertet.

Vier-Tage-Woche im Modell: One size does not fit all

Nicht jede Firma kann und soll das System einfach durch Kappen der Freitagsarbeit realisieren. Oft ist das auch organisatorisch weder sinnvoll noch umsetzbar. Daher einige Lösungen aus dem Projekt:

Klassisches System: Man kappte die Arbeitswoche auf vier Tage und arbeitete dafür jeweils 1 Stunde an den anderen Tagen länger.

Staffelsystem: Es gab alternierend einen zusätzlichen freien Tag in der Woche, den man nach Absprache innerhalb des Teams teilte: 50% nahmen den Montag und die andere Hälfte den Freitag oder Mittwoch frei. So blieben bei Agenturen und kleineren Firmen während aller Arbeitstage genug Teammitglieder verfügbar als Ansprechpartner für Kunden und Lieferanten.

Summenmodell: Saisonale Arbeit wurde angepasst: An besonders frequentierten Tagen oder Jahreszeiten wurde länger gearbeitet und an den ruhigeren Tagen oder Wochen wurde dafür radikal weniger oder gar nicht gearbeitet.

Dezentrale Modelle: Mehrere Abteilungen oder Teams arbeiten nach unterschiedlichem Arbeitsmuster, was zu einer Mischung der beiden oben genannten Modelle führen kann. Dies kann Regelungen beinhalten, wie z. B. dass einige Mitarbeitende an fünf kürzeren Arbeitstagen ein Vier-Tage-Pensum arbeiten. Das dezentrale Modell wurde vor allem in Unternehmen gewählt, deren Abteilungen unterschiedliche oder  gegensätzliche Funktionen und Herausforderungen haben.

Bedingungsmodelle: Der Anspruch auf die Vier-Tage-Woche ist an eine laufende Leistungskontrolle gebunden. Vorgesetzte im Unternehmen können beschließen, die Vier-Tage-Woche für bestimmte Abteilungen oder Personen vorübergehend auszusetzen, wenn es Anzeichen dafür gibt, dass die Mitarbeitenden die vereinbarten Leistungsziele nicht erreichen. Dies kann zu ungleichen Situationen führen, in denen einige Mitarbeiter/Abteilungen über längere Zeiträume hinweg weiterhin fünf Tage arbeiten.

In der britischen Studie waren die Lösungen unterschiedlich oft vertreten, je nach Anforderungen und Möglichkeiten:

Verteilung der 4-Tage-Modell in der britischen Studie
Verteilung der 4-Tage-Modell in der britischen Studie. Quelle: Autonomy Research Ltd. (2023)

Ergebnisse von 4dayweek global

Besonders eindrucksvoll war, dass der Umsatz über all die 23 Firmen, die bereit waren, ihre geschäftskritischen Kennzahlen zu teilen, moderat um 1,4% stieg.

Es gab jedoch eine deutliche Veränderung bei den Fehlzeiten, gemessen als Krankheits- und Fehltage pro Mitarbeitende und Monat. Dieser Wert fiel von 2,0 Tagen im Vergleichszeitraum auf nur noch 0,7 Tage während der Studie (ein Rückgang von 65 %). Wer schon mal Maßnahmen im BGF eingeführt und evaluiert hat, weiß, dass das ein übernatürlich guter Effekt ist. Die Gesamtzahlen der fehlenden Personen sind leider zu niedrig im Vergleich zu den Gesunden, um diesen Wert auch statistisch abzusichern. Aber der Trend ist deutlich und sollte langfristiger und in anderen Ländern untersucht werden! Wenn es auch nur über 40% Reduktion wäre, wäre das Einsparpotenzial und der Return on Investment um Lichtjahre vor allen anderen Maßnahmen.

Die durchschnittliche Arbeitszeit sank real von einem Mittelwert von 38 auf 34 Stunden pro Woche, was u.a. auch daran liegt, dass viele Firmen bei 40 Stunden starteten. Bei der Hälfte der Teilnehmenden sank die Anzahl der Überstunden gar nicht.

Signifikante 71 % der Arbeitnehmenden berichteten über ein niedrigeres Burnout-Niveau als zuvor, verglichen mit nur 22 %, die einen höheren Burnout-Wert verzeichneten. Es ist sehr ermutigend, dass viele Teilnehmende über leichte Verbesserungen ihrer körperlichen Gesundheit berichteten (37 % der Beschäftigten gegenüber 18 %, die von einer Verschlechterung berichteten). Weitere Studien sollten die Faktoren für beide Entwicklungen genau durchleuchten.

Die stärksten Effekte gab es bei den Themenfeldern Familienfreundlichkeit und Work-Life-Balance

Bei der Frage nach der Vereinbarkeit von bezahlter Arbeit und Betreuungsaufgaben stieg der angegebene Durchschnittswert der Mitarbeitenden von 2,76 auf 3,58 auf einer Skala von 1 („sehr schwierig“) bis 5 („sehr einfach“). 60 % der Arbeitnehmenden gab an, dass die Vereinbarkeit von Betreuungsaufgaben einfacher geworden sei. Und auch die Work-Life-Balance verbesserte sich deutlich über den Projektzeitraum: und zwar von durchschnittlich 2,9 auf 3,78 (wobei auch hier 1 als „sehr schwierig“ und 5 als „sehr leicht“ gilt). In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen nahmen die Konflikte zwischen Arbeit und Familie ab: Im Verlauf der Studie stellten 54 % der Arbeitnehmer fest, dass sie sich nach der Studie seltener zu müde fühlten, um Hausarbeiten zu erledigen (im Vergleich zu 10 %, die sich eher müde fühlten).

 

Fazit: Wer mit vergleichsweise geringem organisatorischen Aufwand die wesentlichen Faktoren für Gesundheit und Arbeitszufriedenheit gleichzeitig verbessern will, kommt an der Vier-Tage-Woche oder ähnlichen Umstrukturierungen der Arbeitszeiten kaum vorbei. Benefit: Sie brauchen keine großen, teuren und langwierigen Gesundheitsprogramme aus der Taufe zu heben, keine teuren OE-Maßnahmen mit mehr oder weniger nachhaltigen Wirkungen auszuwählen, umzusetzen und zu evaluieren und erhalten zusätzlich noch zwei Sonderpunkte: mehr Autonomie für Freizeit und Familie und eine geringere Fluktuationsrate und damit langfristig weniger Personalkosten für Recruiting und Onboarding. Und für diejenigen, die das Thema Fluktuationsrate jetzt erst ernst nehmen, lasse ich nochmal die Grafik von McKinsey von 2021 auferstehen. Nebenbei kann man unten in der Grafik verstehen, warum die Ergebnisse dieser britischen Studie das Zentrum jeder Organisationsentwicklungsmaßnahme der nächsten 10 Jahre bilden sollte; man beachte das graue Kästchen oben rechts! Die New Orks werden dort unten links auch den Begriff „meaningful“ entdecken, den größten OE-Hype aus 2020…

Gründe für Kündigungen aus der McKinsey-Studie (2021)
Gründe für Kündigungen aus der McKinsey-Studie Great Attrition (2021)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Quelle:

https://www.4dayweek.com/ukpilot

https://autonomy.work/wp-content/uploads/2023/02/The-results-are-in-The-UKs-four-day-week-pilot.pdf

Ausführliche Resultate

Kumar, A., & Gilovich, T. (2015). Some “Thing” to Talk About? Differential Story Utility From Experiential and Material Purchases. Personality and Social Psychology Bulletin41(10), 1320–1331. https://doi.org/10.1177/0146167215594591

Whillans, A. V., Dunn, E. W., Smeets, P., Bekkers, R., & Norton, M. I. (2017). Buying time promotes happiness. PNAS Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 114(32), 8523–8527. https://doi.org/10.1073/pnas.1706541114