Künstliche Intelligenz und Gesellschaft: KI-Angst und KI-Kompetenz

Technologie: Tanzpartner oder Bedrohung?
Technologie: Tanzpartner oder Bedrohung? Quelle: Dall-E

Angesichts des aktuell überzogenen Hypes um künstliche Intelligenz auf der einen Seite und unbestreitbarem Nutzen in der Wissenschaft und Wirtschaft verursacht allein die Abkürzung KI bei vielen Menschen Angst. Doch neben Befürchtungen vor Arbeitsplatzverlust oder gesellschaftlichen Risiken in einigen Teilen der Bevölkerung ist bei Firmen eine ganz andere Angst entstanden: Können unsere Mitarbeitenden KI überhaupt präzise bewerten oder gar einsetzen? Neue Technologien auf Risiken und Chancen abzuklopfen, erfordert objektive und subjektive Kriterien. Die psychologische Forschung zu wahrgenommenen KI-Ängsten und KI-Kompetenzen ist noch jung, aber sehr aktiv. Wir werfen einen Blick unter die Motorhaube der aktuellen Wirkungsforschung rund um KI: Denn Bildungsverantwortliche, Personaler (HR) sowie medialer und gesellschaftlicher Diskurs brauchen feste Fundamente unter die KI-Diskussionen. Hoffen wir, dass mithilfe dieser Fragebögen die Abteilungsmeetings und Talk-Shows künftig ein bisschen näher an die Realität heranrücken…

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Produktivität messen von Angestellten, die mit generativer künstlicher Intelligenz arbeiten – Forschung (miss)verstehen

Roboter mit Fragezeichen
Quelle: DALL-E

Am 7. März 2023 hat Josh Bersin, ein selbst ernannter HR-Influencer, ein vorläufiges Forschungspaper von MIT-Doktoranden zum Thema Produktivität von studierten Angestellten zusammengefasst: Es geht um Produktivitätssteigerungen durch generative KI, in diesem Fall ChatGPT, bei alltäglichen Arbeiten für Leute, die beruflich genau solche Texte erstellen müssen. Das Paper hat noch nicht den peer-review-Prozess durchlaufen, ist also quasi noch ohne Verbesserungen von erfahrenen Forschenden. Einen Tag später hat dann der selbst ernannte Netzökonom Holger Schmidt eine leicht geänderte deutsche Version dieses Blogposts unter seinem Namen veröffentlicht, ohne auf Bershin zu verweisen. Beide Autoren haben die Studie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden. Sie enthält grundlegende Fehler: der schlimmste ist die Art wie untersucht wurde! Das kommt davon, wenn unerfahrene Leser Preprints in die reichweitengierigen Hände bekommen (english version below)

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Synthetische Psychologie, um künstliche Intelligenz & Robotik und den menschlichen Umgang damit zu erforschen

Umfrage: Was ist künstliche Intelligenz?
Quelle: Pegasystems (2017) – click to enlarge –

Intelligente Maschinen (KI und Roboter) können nicht mehr allein als Produkte der Technik, Mathematik und der Informatik betrachtet werden. Denn sie stellen eine neue Klasse von (gesellschaftlichen) Akteuren mit eigenen Verhaltensweisen und einem eigenen Ökosystem mit hoher kultureller Relevanz dar. Im Umgang mit Menschen sollte dabei deren maschinelles Verhalten beschrieben, erklärt und möglichst vorhersagbar werden. Der finale Entwurf der europäischen KI-Verordnung (AI-Act) hat mit seinen verschiedenen Risikoklassen für Aufsehen gesorgt. Das Bewerten solcher Risiken kann nur erfolgen, wenn es als synthetisches Verhalten verstanden und überprüfbar wird. Denn künstliche neuronale Netze im maschinellen Lernen realisieren Informationsverarbeitung auf Basis unseres Verständnisses von Hirnleistungen. Wir bauen (synthetisieren) Denkvorgänge nach. Dabei wird eine neue Disziplin helfen, die man synthetische Psychologie taufen sollte. Denn Kognition (geistige Verarbeitung und Steuerung) passiert jetzt mehr nicht nur im menschlichen Gehirn: Da Software nunmehr in der Lage ist, (Sinnes-)Daten zu verarbeiten, zu gewichten und nach einer Zielvorgabe einzuordnen, sogar Entscheidungen zu fällen oder zumindest vorzubereiten. Die Frage ist nur: Wie, mit welchem Training und was sind erwünschte Ziele und unerwünschte Effekte??

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Produktivität steigern – Stress reduzieren mit der einfachsten Organisationsentwicklung der Welt: Zeit

verbesserungen im Freizeitleben der Mitarbeitenden
Rosafarbene Balken: Abnahme des Gefühls, zuwenig Zeit für familiäre Aufgaben oder Hobbies zu haben – Klick zum Vergößern – Quelle: Autonomy Research Ltd. (2023)

„Senken der Krankheitstage um über 60%. Über 70% Reduktion von Burnout. 40% der Teilnehmenden schläft besser! Kündigungsrate wurde um 50% gesenkt.“ Wenn Sie so etwas als Organisationsentwicklungsmaßnahme oder betriebliche Gesundheitsförderung verkaufen wollen, tippen sich alle an den Kopf, die das Metier kennen. Solche Zahlen schaffen sie mit keiner bekannten Maßnahme über eine ganze Firma oder gar mehrere Branchen hinweg. Halt! Eine unbeugsame Maßnahme gibt es doch, die das schafft. Das zeigen die jetzt veröffentlichten Ergebnisse einer sechsmonatigen Studie in England zur Vier-Tage-Woche mit über 2900 Mitarbeitenden in 61 Firmen von der Bank bis zum Schnellrestaurant, davon führen 56 Firmen die Maßnahmen weiter: Denn die Vier-Tage-Woche wirkt stärker als alle bekannten organisationsweiten Maßnahmen der letzten 50 Jahre bei überall gleichbleibender und in einigen Bereichen sogar steigender Produktivität. Begleitet und ausgewertet wurde das gesamte Projekt durch Wissenschaftler um die Arbeitszeit-Expertin Prof. Juliet Schor und Prof. Wen Fan (beide Boston), die nicht nur zu Beginn Trainings und Workshops gaben, um begleitend Hilfestellungen zu geben. Die Entwicklungen des Projekts 4dayweek global wurden sowohl qualitativ (Prof. Frayne & Prof. Burchell aus Cambridge) als auch quantitativ (Schor & Fan) dokumentiert und empirisch ausgewertet.

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Fräulein KI, zum Diktat! Wie präzise und sensibel reagieren die drei bekanntesten KI-Schreibhelfer

Schreibmaschine Drei neue intelligente Schreibautomaten haben vor kurzem das Licht der medialen Öffentlichkeit erblickt. Und schon erobert generative künstliche Intelligenz viele Büros, Klassenzimmer und Redaktionen. Was können die Lösungen? Wie gehen sie mit strittigen Fragen um? Ein Vergleich dreier KI-Helfer, die jedermann zum Schreiben von Bewerbungen, Hausaufgaben oder Texten für die eigene Website nutzen kann.

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3 Test-Tools, um Texte auf KI-Herkunft zu untersuchen

Seit Ende 2022 sind einige generative KI-Werkzeuge (Schreibautomaten) für die Öffentlichkeit zugänglich wie etwa ChatGPT oder Aleph Alpha. Lehrende oder Personaler würden gerne testen, ob eingereichte Dokumente Inhalte enthalten, die KI erstellt hat. Jetzt gibt es dazu Helferlein: Englische KI-Texte werden mit den drei getesteten Tools gut erkannt, deutsche Texte sind nur bei zweien nutzbar. Ein Werkzeug liefert schon ganz brauchbare Ergebnisse.

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Arbeitgeberattraktivität – Employer Branding wird zu Employee Branding?

Schon bevor sich der Fachkräftemangel zu einem allgemeinen Arbeitskräftemangel ausweitete, wurde der Aufbau einer spezifischen Arbeitgebermarke (Employer Branding) zu einer Binsenweisheit. Die Attraktivität einer Organisation soll Bewerberinnen und Bewerber anziehen und Mitarbeiter halten. Und Berater erfinden sich selbst neu mithilfe von Trendbüchern als Experten für scheinbar relevante Ingredienzen dieser Attraktivität: statt Agilität oder Nachhaltigkeit wabern nun Purpose, New Work und Demokratie im Unternehmen durch die sozialen Netzwerke. Die Bedeutung ist bestenfalls kreativ hergeleitet und die Studienlage zur Wirksamkeit zugehöriger Workshops, Seminare und Programme äußerst dünn: (Miss-)Erfolgsfaktoren und Zielvariablen solcher Interventionen sind weitgehend unbekannt. Dieses breite Wissensdefizit wird gerne durch systemtheoretisches Raunen oder den Verweis auf vermeintlich spezifische Bedürfnisse der Generation Z oder Alpha ersetzt. Manch erhobener Beraterzeigefinger droht sogar mit dem Scheitern der Firma aufgrund mangelnder Veränderungsbereitschaft. Aber was wollen nun die Bewerbenden, die in überschaubarer Anzahl in den Fluren der Personalabteilungen auf ihr Vorstellungsgespräch warten? Werfen wir einen Blick auf das, was sich derzeit mit empirischen Studien belegen lässt. Und natürlich habe ich ChatGPT am Ende “gebeten”, fünf Absätze zum Thema zu liefern. Wie immer zeigt die generative KI, dass viele Einführungstexte in Zukunft immer seltener von Menschen geschrieben werden.

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Purpose – Unsinn mit Sinn

Seit ein paar Jahren kommt keine Diskussion zu Führung oder Organisationsentwicklung in den einschlägigen Medien ohne des Beraters neue Kleider aus: Purpose.  Es ist das Banner unter dem alle New-Work-Evangelisten, agile Adepten und Firmendemokratisierer die Arbeitswelt wirklich wirklich menschlicher machen werden.
Leider trivialisiert der Purpose-Hype einen prinzipiell hilfreichen Wertehorizont der Organisationsentwicklung, weil es in sehr vielen Diskussion an drei Dingen fehlt: Ziel, Klarheit und Evidenz. Die Diskussion ist sehr oft desorientiert, weil mit kaum belastbaren Definitionen an bestenfalls nebligen Aspekten der Organisation „argumentiert“ wird. Was ist mit Purpose genau gemeint? Ein Hinweis auf Viktor Frankls Sinn des Lebens reicht und los geht’s? Die Diskussion ist verwirrt und verwirrend, weil die beschreibende und funktionale Einbettung von Purpose unklar bleibt. Wie soll man Purpose tatsächlich entwickeln? Wieviel davon ist schon da in Teams, Abteilungen oder der ganzen Firma und was fehlt eigentlich? Was sollte warum realisiert werden? Die meisten Diskussionen und Beiträge zum Thema sind mindestens spekulativ, weil sich behauptete Vorbedingungen und Effekte von Purpose in der wissenschaftlichen Literatur nicht nachweisen lassen oder aber beforschte Effekte und ihre Ergebnisse nicht eingeordnet werden. Schauen wir in die sehr kurze historische Entwicklung des Begriffs und seine jüngsten Ausformungen…

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Psychologische Eignungstests: Mythos und Wirklichkeit im Personalwesen

Matrixtest
Beispielaufgabe eines Matrizentests zur fluiden Intelligenz (Quelle: Ravens Progressive Matrices)

Firmen führen Eignungsuntersuchungen durch, um aus einem Feld von Bewerbenden künftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszuwählen. Bei seriösen Firmen werden die Auswahlkriterien durch spezifische Stellenprofile festgelegt. Denn jede Position und jeder Ausbildungsplatz bringt bestimmte allgemeine und spezielle Anforderungen mit sich. Psychologische Eignungstests zielen darauf ab, die Fertigkeiten und Fähigkeiten, die mit diesen Anforderungen zusammenhängen, so zu überprüfen, dass man die am besten passenden Bewerberinnen und Bewerber identifizieren kann. Je allgemeiner dabei vorgegangen wird, desto schwieriger ist es, sich von Schulnoten oder Intelligenztests abzusetzen.  Und je näher man sich an letztere anlehnt, desto eher wirkt man allen Diversity-Maßnahmen entgegen. Denn solche Tests sind selten kulturfair. Ein Grund, warum Eignungstests wie sie hierzulande gebräuchlich sind, in den USA schon längst verboten wären (adverse impact). Je fachspezifischer die Tests zur Eignungsfeststellung sind, desto höher ist die prognostische Validität (Vorhersagegüte) für späteren beruflichen Erfolg, ein wesentliches Gütekriterium für alle Eignungsverfahren. Wenn man davon ausgeht, dass die abgefragten Wissensformen überhaupt entscheidend im normalen Berufsalltag sind – was nur für wenige Berufe möglich ist. Warum also sollte man Geld und Zeit für Eignungsverfahren investieren, wenn die ausgewählten Personen gut abschneiden bei Aufgaben, die so oder ähnlich nie wieder im Berufsalltag auftauchen? Wir schauen den drei größeren Testdienstleistern unter die Motorhaube: dgp, eligo und beim Berufspsychologischen Service (BPS) der Bundesagentur für Arbeit…

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Marshmallow-Test: Warum einige psychologische Erkenntnisse aus Lehrbüchern und Medien verschwinden (oder umgeschrieben werden) sollten…

Marshmallows als Objekt der Begierde. (Quelle: Jennifer Smith)

Fast jeder kennt die Untersuchungen aus der Vorschule des Stanford Campus von Walter Mischel und Kollegen: In der Urform erklärten die Versuchsleiter den Kindern, dass man für einige Zeit den Raum verlassen würde. Durch Klingeln mit einer Glocke könnten sie die Versuchsleitenden sofort zurückrufen und würden dann einen Marshmallow erhalten. Würden die Kinder aber warten bis die Person von selbst zurückkam, dann bekämen sie zwei Marshmallows. Wenn die Kinder nicht klingelten, kehrten die Wissenschaftler nach 15 Minuten zurück. Die meisten Kinder konnten zwischen 6 und 10 Minuten warten. Auf Basis dieser Forschung wurden in Längsschnittstudien Jahre später mit denselben Probandinnen und Probanden viele Erfolgskriterien geprüft. Denn man glaubte, mit dem Belohnungsaufschub einem Indikator für das psychologische Konstrukt Selbstkontrolle auf der Spur zu sein, das sogar persönlichen und beruflichen Erfolg vorhersagen können sollte. Das Experiment wurde vielfach wiederholt und die Ergebnisse bestätigt. An sich ist das toll, denn viele Studienergebnisse überleben das Wiederholen derselben Forschungsaufgabe (Replikation) nicht. Die Längsschnittstudien mit Marshmallows schienen den starken Einfluss von Selbstkontrolle auf Erfolg sogar kausal zu belegen.  Zwei Drittel des Effekts liegt jedoch nicht in der Selbstkontrolle begründet sondern ganz woanders… im Elternhaus.

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