Motivation: Intrinsisch oder internalisiert – Was ist praxisrelevant für Firmen und Führungskräfte?

Quelle: DALL-E, CC BY 4.0

Intrinsische Motivation gilt als Königsweg zu beruflichem und organisationalem Erfolg. Gemeint ist das Ausführen einer Handlung aus eigenem persönlichen Interesse und Freude an der Tätigkeit selbst. Das Gegenteil ist extrinsische Motivation.  Dabei geht es nicht nur um Belohnung und Bestrafung. Es ist eine fein abgestufte Reihe von äußeren Verhaltensgründen, die wir teilweise selbst aktiv verinnerlichen können: Die unangenehmste Form ist äußerer Druck (Belohnung oder Bestrafung), etwas weniger schlimm ist innerer Druck wie Scham- und Schuldgefühle. Am meisten Eigenleistung ist bei der aktiven Einsicht aus nützlichkeits- oder wertebasierten Gründen zu finden. Letzteres wird auch als internalisierte Motivation beschrieben. Erkennbar ist sie an Empfindungen wie innerer Antrieb, Freude, Energie, Ausdauer oder tieferem Verständnis und Einsicht. Mit anderen Worten, eine Person beginnt, eine bestimmte Aktivität oder Einstellung aus verinnerlichten Gründen heraus zu verfolgen, weil sie das Verhalten oder die Einstellung nach reiflicher Überlegung als wichtig und sinnvoll ansieht, anstatt aufgrund von äußeren Anreizen gedrängt zu werden. Da der Büroalltag selten Freude an E-Mails, Meetings oder Abstimmungsprozessen selbst enthält, ist es Zeit diese Seite der Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem Führungskräfte und Organisationsentwickler können dabei wichtige Einsichten gewinnen.

Lust auf Arbeit? Wenn ich die (Hinter-)Gründe und Motive hinter langweiligen oder schweren Aufgaben nachvollziehe, kann ich meine Arbeit als Unterstützung auffassen

Die Klärung der Frage, warum und wie Individuen Motivation verinnerlichen, trägt zu zwei wichtigen Diskussionen in der Literatur über Arbeitsmotivation bei. Erstens geht es um die Kritik, dass sich Arbeitsmotivationsforscher zu sehr mit intrinsischer Motivation befassen, obwohl viele Arbeitsaufgaben gar nicht intrinsisch interessant sind (Kim et al., 2021; Locke & Schattke, 2019). Und das Verfolgen intrinsisch motivierender Aufgaben bei der Arbeit kann unbeabsichtigte negative Folgen für die Motivation für andere wichtige, aber uninteressante Aufgaben haben (Shin & Grant, 2019). Während intrinsische Motivation viele positive Auswirkungen zu haben scheint (Van den Broeck et al., 2021), unterstreichen einige Studien die Notwendigkeit, Aufgaben nicht nur als interessant oder uninteressant zu betrachten (Kim et al., 2021), sondern untersuchen auch, wie Individuen ihre Motivation auf der Grundlage ihrer anfänglichen Bewertung der Aufgabe gestalten (warum sie etwas tun müssen und warum sie etwas nicht tun wollen). Damit soll die Seite der Arbeit beleuchtet werden, die abseits vom New-Work-Getöse und bedeutungsvoller Arbeit, den Arbeitsalltag der allermeisten Menschen bestimmt. Eingeweihte halten dies für den weitaus größten Teil der Arbeit…

Wieso verinnerlichen Menschen Aufgaben, die wenig mit ihren eigentlichen Absichten und persönlichen Bedürfnissen zu tun haben?

Der Prozess der Internalisierung startet mit einem Zustand der kognitiven Dissonanz (innerer Widerspruch). Er entsteht durch das Vorhandensein von zwei widersprüchlichen kognitiven Elementen: Soll man sich anstrengen oder nicht? Der Widerspruch liegt oft darin, dass man für beide Seiten gute Gründe findet. Ist der innere Widerstreit stark genug, muss man ihn aktiv auflösen, um weitermachen zu können. Es gibt zwei Mechanismen, die dazu beitragen, dass die kognitive Dissonanz aufgelöst wird und die Motivation für eine zuvor eher ungeliebte Tätigkeit verinnerlicht werden kann: Motivationsinkonsistenz („Ich muss, aber ich will nicht“) und Schuldgefühle („Ich sollte, aber ich will nicht). Diese beiden Mechanismen führen zu persönlichen kognitiven Anpassungen, die dazu beitragen, dass Menschen die Motivation zu einer Handlung internalisieren. Der Vorgang des Verinnerlichens ist laut Hewett durch längere Phasen der Reflexion und des Reframings gekennzeichnet. Ziel ist es, vergangene, aktuelle oder zukünftige Handlungen und Erfahrungen einzuordnen durch Vergleiche, um andere Alternativen in Betracht zu ziehen, Dinge aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und passendere Schlussfolgerungen abzuleiten. Das passiert mittels drei Erzählsträngen (Narrative), über die man sich selbst je nach Charakter, Situation und Umfeld mehr oder weniger gut überzeugt: entwicklungsfördernd, chancenfördernd oder prosozial. Wer also bei der Motivation zu weniger attraktiven Aufgaben helfen will, legt für Mitarbeitende Fährten in diese Richtungen aus, die es ihnen erleichtern, so innere motivationale Konflikte und den täglichen Schweinehund zu besiegen.

Quelle: Rebecca Hewett (2023) Dissonance, Reflection and Reframing: Unpacking the Black Box of Motivation Internalization CC BY 4.0 (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/joms.12878)

Was bedeutet das nun für Führungskräfte in der Praxis?

Führungskräfte und Firmen könnten beginnen, Mitarbeitende zu unterstützen, indem sie eine verantwortungsvolle Arbeitsumgebung schaffen, die es den Menschen ermöglicht, eine persönliche Verantwortung als Bindung zu ihren Aufgaben herzustellen, indem sie die Bedeutung und Sinn in ihrer Arbeit entweder für andere erkennen oder selbst schaffen . Dies kann beispielsweise durch transparente Kommunikation von der (pro)sozialen Wichtigkeit gerade dieses Arbeitsschritts für andere Kollegen oder Teams sein, oder für aktuelle Unternehmensziele und -werte. Oder durch das Einordnen in ein größeres Bild als wichtiges Element in der Wertschöpfungskette einer Abteilung, Niederlassung oder der Gesellschaft. Neudeutsch würde man wohl formulieren: eigene Wertschätzung für die Aufgabe oder berufliche Rolle benötigt einen Rahmen, der dann besonders gut passt, wenn Mitarbeitende partizipieren oder verstehen, dass sie für Dritte deren Situation verbessern (prosoziale Internalisierung).

Ein anderer Weg besteht darin, dass Führungskräfte Mitarbeitende bei schweren Aufgaben zu ermutigen und ihnen die Möglichkeit geben, ihre bestehenden Fähigkeiten und Interessen erweitern. Vielleicht können sie so ihre Arbeit auf eine Art und Weise ausführen, die für sie persönlich erweiternd ist UND dem Firmenkontext dient. Kompetenzorientiert wird durch persönliche Entwicklung als individuelles Bedürfnis oder Interesse am Neuen der/die Mitarbeitende die Motivation für diese Aufgaben internalisieren können. Wer sich gern weiter entwickelt, wird dann bisherige Aufgaben als weniger starr erleben. Auch die Diskussion um Job Crafting gehört an diese Stelle. Gezielte Schulungen für future skills und/oder Entwicklungsrahmen können den Handlungsspielraum erweitern oder zumindest flexibel dynamisieren – falls gewünscht (Internalisierung aufgrund von Entwicklungsmöglichkeiten).

Vorgesetzte können aber auch sicherstellen, dass Mitarbeitende gerade angesichts von frustrierenden Aufgaben spontan und direkt aufgabenbezogenes Feedback erhalten, damit sie sowohl orientiert sind, das und wie ihr Beitrag gewünscht ist, aber auch, um die Leistung an sich selbst außerhalb von externen Leistungszielen zu würdigen.  Für sie wird durch positive Reaktion auf das vermeintlich Notwendige eine wichtige innere Ressource getriggert: Das ewig Gleiche ist auch nach 15 Jahren dann noch relevant, wenn es als eine besondere Gelegenheit dient, um Wertschätzung, Dankbarkeit oder Anerkennung dafür auszudrücken, dass Mitarbeitende sie als Chance nutzen, um Integrität, Verlässlichkeit oder Verantwortung zu zeigen. Innere Schuldgefühle, das eigene Leben zu verplempern mit Routinen oder Gedanken über die innere Kündigung (ob ich hier bin oder nicht, ist doch eh unwichtig) können über diese externe Perspektive des Interesses und der Anerkennung helfen die nötige Motivation zu internalisieren (Gelegenheit, um Routinen und frustrierende Aufgaben zu würdigen als Grund um Motivation zu verinnerlichen).

Fazit: Führungskräfte können durch die Förderung der Internalisierung von Motivation dazu beitragen, dass Mitarbeiter langfristig motiviert und engagiert bleiben, auch bei Aufgaben, die nicht von Natur aus interessant sind. Das senkt die Fluktuationsrate UND den Krankenstand.

Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The “what” and “why” of goal pursuits: human needs and the self-determination of behaviorPsychological Inquiry1122768.

Grant, A. M., & Shandell, M. S. (2022). Social Motivation at Work: The Organizational Psychology of Effort for, Against, and with Others. Annual review of psychology73, 301–326.

Hewett, R. (2023), Dissonance, Reflection and Reframing: Unpacking the Black Box of Motivation Internalization. Journal of Management, 60, 285–312

Kim, J. H.Gerhart, B., & Fang, M. (2021). Do financial incentives help or harm performance in interesting tasks?Journal of Applied Psychology10715367.

Locke, E. A. (1993). Facts and fallacies about goal theory: reply to DeciPsychological Science46364.

Shin, J., & Grant, A. M. (2019). Bored by interest: how intrinsic motivation in one task can reduce performance on other tasksAcademy of Management Journal6241536.

Van den Broeck, A.Howard, J. L.Van Vaerenbergh, Y.Leroy, H., & Gagné, M. (2021). Beyond intrinsic and extrinsic motivation: a meta-analysis on self-determination theory’s multidimensional conceptualization of work motivationOrganizational Psychology Review11240–273.