Lange hat es gedauert, bis Firmenlenker eingesehen haben, dass Fehlzeiten wegen chronischem Stress durch Überforderung, schlechte Arbeitsorganisation, hilflose Führung oder gar Mobbing und anderen psychischer Fehlbelastungen am Arbeitsplatz besonders kostspielig sind. Noch länger hat es gedauert bis Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden. Viele glauben noch heute, dass Druck und Angst ein wirksames Mittel dagegen sind. Aber auch die herbeigerufenen Experten und Berater müssen sich mit der Komplexität der jeweiligen Realität eingehender befassen: Denn es wird immer deutlicher, dass es wenig bringt, den/die einzelnen Arbeitnehmenden mit Stressmanagement, Achtsamkeit, Massagen und Resilienzprogrammen vollzustopfen – und zwar aufseiten der Mitarbeitenden und für die Organisation. Denn wer entstresst und vollkommen gegenwärtig den cholerischen Chef, die mangelnde Personaldecke oder die Arbeitsüberlastung fünf Tage die Woche erleben darf, wird in den seltensten Fällen gesund bleiben – auch mit diesen Maßnahmen. Die Organisationsebene sollte der eigentliche Dreh- und Angelpunkt eher organisationaler/struktureller Verbesserungen sein, wie eine Auswertung des Wellbeing Research Centre aus Oxford über 46.000 Teilnehmende nahe legt, die im Januar 2024 publiziert wurde. Individualmaßnahmen zeigen bei den wesentlichen Zielvariablen im Arbeitskontext wenig bis keine Auswirkungen – bis auf ehrenamtliche Aufgaben.
Führung
Motivation: Intrinsisch oder internalisiert – Was ist praxisrelevant für Firmen und Führungskräfte?
Intrinsische Motivation gilt als Königsweg zu beruflichem und organisationalem Erfolg. Gemeint ist das Ausführen einer Handlung aus eigenem persönlichen Interesse und Freude an der Tätigkeit selbst. Das Gegenteil ist extrinsische Motivation. Dabei geht es nicht nur um Belohnung und Bestrafung. Es ist eine fein abgestufte Reihe von äußeren Verhaltensgründen, die wir teilweise selbst aktiv verinnerlichen können: Die unangenehmste Form ist äußerer Druck (Belohnung oder Bestrafung), etwas weniger schlimm ist innerer Druck wie Scham- und Schuldgefühle. Am meisten Eigenleistung ist bei der aktiven Einsicht aus nützlichkeits- oder wertebasierten Gründen zu finden. Letzteres wird auch als internalisierte Motivation beschrieben. Erkennbar ist sie an Empfindungen wie innerer Antrieb, Freude, Energie, Ausdauer oder tieferem Verständnis und Einsicht. Mit anderen Worten, eine Person beginnt, eine bestimmte Aktivität oder Einstellung aus verinnerlichten Gründen heraus zu verfolgen, weil sie das Verhalten oder die Einstellung nach reiflicher Überlegung als wichtig und sinnvoll ansieht, anstatt aufgrund von äußeren Anreizen gedrängt zu werden. Da der Büroalltag selten Freude an E-Mails, Meetings oder Abstimmungsprozessen selbst enthält, ist es Zeit diese Seite der Arbeit genauer unter die Lupe zu nehmen. Vor allem Führungskräfte und Organisationsentwickler können dabei wichtige Einsichten gewinnen.
30.000 Leute haben gewählt: 4 Maßnahmen gegen Personalmangel
Personalmangel ist in aller Munde, nur leider nicht im Kopf. Der Mangel an Wissen begründet die Abwesenheit von zielführenden Handlungen, um gegenzusteuern. Man kann das gut an den orientierungslosen Versuchen erkennen, Pflegekräfte oder Ärzte in der öffentlichen Gesundheitsversorgung zu halten oder Erzieher:innen für Kitas zu gewinnen. Es erinnert an komplexe Würfelspiele mit faszinierten, aber unerfahrenen Spielern. Gegen die Unwissenheit hilft eine aktuelle weltweite Befragung zur Mitarbeiterzufriedenheit (Employee Experience Trends 2023). Von 30.000 Befragten gaben 57% an, mit der Vergütung und den Zusatzleistungen zufrieden zu sein (im Vergleich zum Vorjahr waren das 10% weniger!). Doch einige Faktoren sind viel entscheidender und vor allem deuten sie auf klare Verhaltensänderungen auf der Unternehmensführungsebene hin. Denn die Wirksamkeit von Merkmalen der Führungskräfte und Purposediskussionen wurde bisher deutlich überschätzt.
Marshmallow-Test: Warum einige psychologische Erkenntnisse aus Lehrbüchern und Medien verschwinden (oder umgeschrieben werden) sollten…
Fast jeder kennt die Untersuchungen aus der Vorschule des Stanford Campus von Walter Mischel und Kollegen: In der Urform erklärten die Versuchsleiter den Kindern, dass man für einige Zeit den Raum verlassen würde. Durch Klingeln mit einer Glocke könnten sie die Versuchsleitenden sofort zurückrufen und würden dann einen Marshmallow erhalten. Würden die Kinder aber warten bis die Person von selbst zurückkam, dann bekämen sie zwei Marshmallows. Wenn die Kinder nicht klingelten, kehrten die Wissenschaftler nach 15 Minuten zurück. Die meisten Kinder konnten zwischen 6 und 10 Minuten warten. Auf Basis dieser Forschung wurden in Längsschnittstudien Jahre später mit denselben Probandinnen und Probanden viele Erfolgskriterien geprüft. Denn man glaubte, mit dem Belohnungsaufschub einem Indikator für das psychologische Konstrukt Selbstkontrolle auf der Spur zu sein, das sogar persönlichen und beruflichen Erfolg vorhersagen können sollte. Das Experiment wurde vielfach wiederholt und die Ergebnisse bestätigt. An sich ist das toll, denn viele Studienergebnisse überleben das Wiederholen derselben Forschungsaufgabe (Replikation) nicht. Die Längsschnittstudien mit Marshmallows schienen den starken Einfluss von Selbstkontrolle auf Erfolg sogar kausal zu belegen. Zwei Drittel des Effekts liegt jedoch nicht in der Selbstkontrolle begründet sondern ganz woanders… im Elternhaus.
Sportsgeist: Can we have two golds?
Die beiden Hochspringer Mutaz Barshim und Marco Tamberi erreichten beide problemlos eine Höhe von 2,37m ohne Fehlversuche, bis sie beide 2,39m überspringen mussten. Nach drei Fehlversuchen trat ein Offiizieller an sie heran und erklärte, sie könnten es nun in einem Jump-Off unter sich ausmachen. „Ich sah ihn an, und er mich, und wir wussten es. … Weiterlesen
Führung: Angst vor Gefühlen?
Wenig Themen werden so kontrovers diskutiert wie Gefühle. Das ist in der Arbeitswelt nicht anders als zuhause am Esstisch oder im Schlafzimmer. Stammtischparolen wie mangelnde Kontrolle bei Anwesenheit von Gefühlen sind bis in die Forschung vorgedrungen. Anders als viele glauben, sind Gefühle keine Stolpersteine auf dem Weg zu wirtschaftlichem und persönlichem Erfolg. Denn das Wahrnehmen und Erkennen (Kognition) ist selten trennbar von Gefühlen und noch seltener ist diese Trennung sinnvoll.
Wie Journalisten Eltern beschimpfen: Ihr macht aus Kindern Tyrannen
„Es gibt Probleme – auch in Familien“. Das ist kein Inhalt, der zu hohen Klickraten auf einer Website führen würde. Auch ein Buch mit diesem Titel ließe sich nicht verkaufen. Um solche Ziele zu realisieren, neigen einige Zeitgenossen zur Skandalisierung. Soweit so schade. Denn das Thema Elternschaft ist zentral. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, Aussagen mit Evidenz belegen zu können. Und zwar nicht mit einer kurzen Befragung sondern mit vielen validen Studien – am besten im Längsschnitt, also über Jahre.